Karlsruhe (CV). Als Träger von den bundesgeförderten Programmen "Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte" (MBE) und "Asylverfahrensberatung" (AVB) hat der Caritasverband Karlsruhe in Zusammenarbeit mit anderen Wohlfahrtsverbänden an dieser Aktionswoche teilgenommen.
Um auf die vorherrschenden Integrationshemmnisse in der Gesellschaft, aus Sicht des Verbands vorhandene politische Gestaltungsspielräume sowie die Relevanz der täglichen Arbeit im Feld von Flucht, Migration und Integration aufmerksam zu machen, wurde täglich Post an die Karlsruher Bundestagsabgeordneten gesandt. Anhand je einer Einzelfallbeschreibung aus dem Beratungskontext von AVB und MBE sowie eines individuell gestalteten "Bremssteins", wurde so versucht, notwendige Handlungsbedarfe in die politische Arbeit des Bundestages zu "transportieren".
Exemplarisch dafür steht der "Bremsstein" Arbeit, der im Rahmen der MBE herausgearbeitet wurde:
Gründe für Migration nach Deutschland gibt es viele. Eine Arbeit aufzunehmen ist einer davon.
Mirjana, 36 Jahre alt, bosnische Staatsangehörige, reist im Februar 2018 mit einem Arbeitsvisum nach Deutschland ein. Sie ist gelernte Friseurin und Perückenmacherin und kann in ihrem Beruf in einem Friseursalon arbeiten. Aufgrund einer Erkrankung fällt sie nach drei Jahren höchst zufriedenstellender Arbeit mehrere Monate aus. Das kostet sie den Job. Nachdem sie wieder gesund ist, nimmt sie unter Druck einen Job als Lager- und Produktionsmitarbeiterin bei einer Zeitarbeitsfirma an. Der Arbeitsvertrag ist auf 9 Monate befristet. Mirjana erledigt ihren Job wieder in Höchstform, ihr wird ein unbefristeter Arbeitsvertrag in Aussicht gestellt. Dann wird sie schwanger, zugegeben ungeplant. Der Arbeitgeber entfristet das Arbeitsverhältnis nicht und Mirjanas Aufenthalt und die Sicherung des Lebensunterhalts stehen plötzlich auf sehr wackeligen Beinen. Sie hält sich mit dem Mutterschaftsgeld über Wasser, ab und an überweisen ihre Eltern Geld aus Bosnien. Mirjana schämt sich, schließlich war es ihr Plan, in Deutschland auf eigenen Beinen zu stehen und ihren Eltern finanziell unter die Arme zu greifen. Daraus resultierend teilt ihr die Ausländerbehörde mit, dass der Zweck ihrer Aufenthaltserlaubnis entfällt, wenn sie keine Beschäftigung mehr ausübt. Wie soll sie wieder arbeiten, wenn sie bald zum ersten Mal Mutter wird und keine Unterstützung vom Kindsvater bekommt? Wie kann sie sich und ihr Kind krankenversichern, wie die Miete zahlen? Soll sie zurück nach Bosnien? Mirjana ist völlig überfordert mit ihrer Situation und wendet sich in ihrer Not an die Migrationsberatung (MBE). Nach viermonatiger intensiver Beratungshilfe stabilisiert sich die Lage: Mirjana bekommt eine Tagesmutter für ihren Sohn - normalerweise ist das eine der größten Hürden für alle Bürgerinnen und Bürger, die eine Kinderbetreuung in Karlsruhe brauchen. Sie kann sich jetzt eine neue Arbeit suchen. Sie wird zur Teilnahme am Integrationskurs zugelassen, den sie unbedingt besuchen möchte. Mirjana spricht zwar schon Deutsch, aber möchte ihre Sprachkenntnisse weiter verbessern. Gerade prüft die Ausländerbehörde ihren Anspruch auf die Chancenkarte. Es sieht gut aus. Mirjana kann endlich wieder aufatmen und hat wieder ihr klares Ziel vor Augen: Ein zufriedenes Leben in Deutschland für sich und ihre kleine Familie.
INFOBOX:
Die Bundesrepublik arbeitet verstärkt daran, Arbeitskräfte - gelernt und ungelernt, zu gewinnen und den Standort Deutschland attraktiv zu machen. Es gab dafür seit dem 18. November 2023 umfangreiche Änderungen im Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Die jüngste Einführung ist die sog. "Chancenkarte", die seit dem 01. Juni 2024 ermöglicht, dass Personen aus Nicht-EU-Staaten in Deutschland einen Aufenthaltstitel erhalten können, um sich hier eine geeignete Arbeitsstelle zu suchen. Die Chancenkarte bekommt, wer als Fachkraft anerkannt ist, oder, wer in einem Punktesystem mindestens sechs Punkte erreicht. Außerdem muss der Lebensunterhalt für die Zeit des Aufenthaltes gesichert sein. Ziel der Chancenkarte ist eine einfache, schnelle und legale Einreise nach Deutschland.